Psychosoziale Folgen der Lippen-Kiefer-Gaumenspalte: Zwischen Selbstzweifeln und Stärke
Menschen mit einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte (LKGS) erleben oft schon früh im Leben, was es heisst, «anders» wahrgenommen zu werden. Narben, Operationen, Sprachauffälligkeiten oder Hörprobleme sind sicht- und hörbare Zeichen einer Besonderheit, die viele Betroffene nicht nur medizinisch, sondern auch seelisch ein Leben lang begleitet.
Doch was passiert, wenn äussere Unterschiede zu inneren Hürden werden?
Viele Betroffene berichten von ähnlichen Erfahrungen: Ausgrenzung in der Schule, Hänseleien, verletzende Kommentare.
Besonders in einer Phase, in der das Selbstwertgefühl noch im Aufbau ist, können diese Erlebnisse tiefe Spuren hinterlassen. Sie prägen unser Selbstbild und damit auch unser Verhalten im Erwachsenenleben.
Einige berichten:
«Ich traue mich nicht, im Job in den Vordergrund zu treten, obwohl ich die Fähigkeiten dazu hätte.»
«Ich vermeide Konfrontationen und bleibe lieber im Hintergrund, um nicht verletzt zu werden.»
«Ich frage mich oft: Bin ich genug? Bin ich willkommen, so wie ich bin?»
Diese Gedanken sind keine Schwäche, sie sind Ausdruck eines Überlebensmechanismus, der in einer verletzlichen Zeit entstanden ist.
Warum psychosoziale Unterstützung so wichtig ist
Auch wenn viele medizinische Herausforderungen im Laufe der Zeit gut behandelbar sind, bleiben die psychosozialen Folgen oft unterschätzt, von aussen und von den Betroffenen selbst.
Doch genau hier liegt ein Schlüssel zur Heilung: in der bewussten Auseinandersetzung mit den seelischen Wunden.
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Psychotherapie kann helfen, alte Glaubenssätze («Ich bin nicht gut genug») aufzulösen.
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Austausch mit anderen Betroffenen schafft das Gefühl: Ich bin nicht allein.
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Berufscoaching kann dabei unterstützen, Schritt für Schritt mehr Sicherheit im Arbeitsleben zu gewinnen.
Denn: Wer gelernt hat, sich zurückzunehmen, braucht manchmal Unterstützung, um wieder sichtbar zu werden.
Mut zur Sichtbarkeit
Viele mit LKGS erleben beruflich eine innere Zerrissenheit: Die Fähigkeiten sind da, der Intellekt ist da, aber die Angst vor Bewertung oder Ablehnung bremst. Aus Sorge vor Vorurteilen ziehen sich manche aus Karrierechancen zurück oder verharren aus Angst in bekannten Strukturen.
Das ist verständlich, aber auch veränderbar.
Sichtbar zu sein heisst nicht, perfekt zu sein.
Es heisst: Ich zeige mich, so wie ich bin.
Mit allem, was mich stark macht und mit dem, was mich geprägt hat.
Trotz allem – oder gerade deswegen: Ich bin stolz auf mich
Auch wenn der Weg nicht leicht war: Viele Betroffene sagen, sie sind stolz, trotz Hindernissen ihren Platz im Berufsleben gefunden zu haben.
Sie sind zuverlässige, empathische und reflektierte Menschen, gerade wegen ihrer Erfahrungen.
Und ja, manchmal bleibt eine leise Angst im Hintergrund.
Aber sie muss nicht die Richtung vorgeben.
Ein Appell an alle Betroffenen
Du darfst beruflich wachsen.
Du darfst dich zeigen.
Du darfst stolz auf deinen Weg sein.
Die Lippen-Kiefer-Gaumenspalte ist ein Teil deiner Geschichte, aber sie bestimmt nicht dein ganzes Leben.
Hol dir Unterstützung, wenn du merkst, dass alte Verletzungen dich heute noch bremsen.
Und erinnere dich: Du bist nicht allein. Wir sind gemeinsam stark.